Text
Bettina Carl
Einleitung
Nishni
Novgorod
Izhevsk
Jekaterinburg
Samara
Saratov
Ausstellung
Text
Peter Funken
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13.7.
Die Stadt hat etwas zauberhaftes: strahlendes Licht, dunstige Luft, träges
Wasser. Läge Nishni in Mitteleuropa, gehörte es wahrscheinlich
ebenso zum touristischen Pflichtprogramm wie Florenz oder Venedig. So
aber finden sich zu Füßen des Piloten, der das Steilufer krönt,
außer mir nur russische Wolgabewunderer. Stundenlang, Tag für
Tag blicken sie hinunter auf den Fluß, der einfach so daliegt: groß,
breit, langsam, sich in unzähligen Nebenarmen ins Land verteilend,
weit im Hintergrund die flammenden Erdgastürme. Nachts wird es gar
nicht so recht dunkel, die Luft ist mild, Mädchen wandeln die Promenade
entlang, Jungs sind auf der Suche, Limousinen schieben langsam vorbei,
halten auch, manchmal ruft einer heraus es ist nicht ganz klar,
ob die Frauen einfach nur zur Freude hier sind oder doch ernsthafter Arbeit
nachgehen.
Künstler jedenfalls scheint es recht wenige zu geben, das nahe Moskau
ist wohl zu verlockend. Gestern abend aber traf ich einen Garagennachtwächter,
der behauptete, Maler zu sein (und dazu Monarchist), und heute einen jungen,
hippen Multikünstler, der als Radiomoderator arbeitet. Noch ist mir
nicht klar, wie, wann und warum Künstler hier die Entscheidung treffen,
sich am zeitgenössischen Kunstgeschehen zu orientieren. Denn das
scheint keinesfalls normal zu sein, mir sind schon einige junge Kunststudentinnen
begegnet (komischerweise wirklich fast alles Frauen), die mit Hingabe
an ihren Feldstaffeleien Kirchen in Wladimir und die Prachtstraßen
von Nishni gemalt haben Gläubige einer heilen (Kunst-)welt.
Doch auch der Radiomoderator hatte fast etwas Christushaftes in seiner
tiefen Überzeugung, durch seine Aktionen die Menschen zu verändern.
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